Media Trends | 22.07.2022

Leichte Sprache, schwere Sprache? Wie Medien von Leichter Sprache profitieren

Foto: Sergey Nivens/Adobe Stock

Eine einfache Textgestaltung verhilft Medienunternehmen zu mehr Wachstum und Sichtbarkeit. Trotz aller Vorteile, nutzen bisher wenige Medien einen einfachen Sprachstil. Ist Leichte Sprache denn so eine schwere Sprache? Nein, sagen Flora Geske und Vanessa Theel von SUMM. Sie haben ein Tool entwickelt, das Medienschaffenden den Zugang zur Leichten Sprache erleichtert und die Barrierefreiheit fördert.

Nachrichtenmacher:innen stehen täglich vor der Aufgabe, komplexe Inhalte des Weltgeschehens abzubilden. Doch wie kann es gelingen, Geschehnisse wie etwa den Ukraine-Krieg, Corona oder Inflation so zu erklären, dass Menschen sich nicht ausgeschlossen fühlen? Neben der Frage nach dem passenden Format kommt es auch auf die Sprache an. Eine leicht verständliche Sprache ist ein Baustein, um Leute für Nachrichten, Reportagen und Informationsformate zu gewinnen.

Einfache Sprache für mehr User:innen

Ein Teil der Medienunternehmen erkennt, dass barrierefreie Inhalte, wie etwa Einfache Sprache, ein attraktiver Faktor im Kampf um die Gunst der Leser:innen sind. Der Deutschlandfunk bietet beispielsweise die Plattform „nachrichtenleicht“ an. Auf dieser Seite werden einmal wöchentlich, die Nachrichten der Woche in Einfacher Sprache aufbereitet. Die Inhalte können gelesen oder angehört werden, zudem steht ein Glossar mit Begriffserklärungen zur Verfügung. Der NDR bietet sogar im Rahmen seiner Barrierefreiheit seine Nachrichten teilweise in Leichter Sprache an.

Wer nun sagt: Der zusätzliche Aufwand ist für öffentlich-rechtliche Anstalten stemmbar, in der Privatwirtschaft personell aber nicht umsetzbar, kann moderne Technologien zu Hilfe nehmen. Das Startup SUMM bietet beispielsweise eine Webanwendung an, die Textvorschläge in Leichter Sprache anbietet. Der bereits existierenden Text wird dabei mithilfe einer künstlichen Intelligenz in Leichte Sprache übersetzt. „Die Lösung erinnert an Google Translate oder Deep L, aber für Leichte Sprache. Der oder die Redakteur:in kopiert den Text in unser Tool und erhält einen Vorschlag für die Textversion in Leichter Sprache. Danach kann der Text noch individuell angepasst und anschließend publiziert werden“, erklärt Flora Geske, Co-Founderin von SUMM. „Im Vergleich zu einer gänzlich manuellen Übersetzung ist das eine schnelle und kostengünstige Methode, um Informationen zugänglich zu machen”.

Die Praxis zeigt also, Medienunternehmen können auf freiwilliger Basis Einfache bzw. Leichte Sprache in ihren Publikationen anbieten, um neue Leser:innen zu begeistern und gleichzeitig bereits bestehende Nutzer:innen zurückzugewinnen. Stellvertretend für diese Nutzer:innen ist die Tante von SUMM-Mitgründerin Flora Geske: „Meine Tante ist politisch sehr interessiert. Ihr geht es wie vielen anderen auch, es fällt es ihr oft schwer, komplexe Inhalte, die sich auch noch hinter komplizierten Satzstrukturen verstecken, zu verstehen. Textversionen in leicht verständlicher Sprache sind aber bisher leider selten, vor allem bei tagesaktuellen Neuigkeiten aus der Politik. So entstand die Idee für unser Tool. Mir war es persönlich einfach wichtig, meiner Tante und allen, denen es genauso ergeht, einen Zugang zu verständlichen Informationen zu ermöglichen“.

Einfache Sprache für ein besseres SEO-Ranking

Auch der Algorithmus der Suchmaschinen liebt die Einfache Sprache. Denn so erkennt er leichter, um was es geht und welche Schlagworte relevant sind. Das muss nicht gleich alle Synonyme ausschließen. Vielmehr sollten Synonyme, wenn dann weiter unter im Text auftauchen oder über ein Glossar ein Synonym auf die Webseite integriert werden. Die gleichen Worte sollten mindestens in der Headline und im Meta-Text vorhanden sein.

Außerdem hilft Einfache Sprache, die Suchanfragen der User:innen zu erfassen. Suchanfragen werden simple und verkürzt gestellt. Zum Beispiel würde keiner zur aktuell angespannten Situation der Gaspreise „Paragraf 24 des Energiesicherungsgesetzes“ eingeben, sondern „Gesetzeslage Gaspreise“ oder „Wird das Gas teurer?“. Wer einfache Worte wählt, ist also im Vorteil. „Ein einfacher gehaltener Textinhalt ist auf jeden Fall von Vorteil. Bei SEO geht es aber auch um mehr als den Fließtext. Auch Meta-Daten oder Alternative-Texte für Bilder sollten hinterlegt werden. Dass das überhaupt geschieht, ist der erste Schritt zu mehr Barrierefreiheit“, sagt Flora Geske.

Barrierefreiheit wird zur Pflicht

Bereits seit 2018 sind Behörden in Deutschland dazu aufgefordert, Informationen in Leichter Sprache bereitzustellen. So sollen Menschen mit seelischen oder geistigen Erkrankungen komplexe Sachverhalte einfach und verständlich verstehen können. Ganz abgesehen von Einschränkungen, tun sich im Allgemeinen viele Menschen schwer, „Behördensprache“ und komplexe Berichterstattungen zu verstehen. Doch im Gegensatz zu Behörden, sind Medien noch nicht verpflichtet (auch) in Leichter oder Einfacher Sprache zu publizieren. Bis 2025 sollen laut dem European Accessibility Act audiovisuelle Medien barrierefreier gestaltet werden und auch der Medienstaatsvertrag nimmt die Barrierefreiheit in den Fokus. Noch ist unklar, wie das genau in Deutschland ausgestaltet werden wird. Wenn Medienhäuser schon jetzt ihre Kompetenzen aufbauen, werden sie perspektivisch einen Vorteil haben. Das betrifft nicht nur rechtliche Rahmenbedingungen, sondern auch die Ansprache von diversem Publikum und ein breites Angebot an Formaten.

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