Media Research & Development | 22.02.2021

So baust du als Creator einen lokalen Newsletter auf

In Lokaljournalismus liegt eine Chance für Journalist:innen, die 2021 in die creator economy einsteigen wollen. Doch wie entwickelt man ein Produkt für die Nische? Eine Anleitung in zehn Schritten.

In einem früheren Blogpost habe ich mich mit der Frage beschäftigt, wie attraktiv die sogenannte creator economy für Journalist:innen in Deutschland ist. Wer sich für eine Karriere als creator entscheidet, arbeitet nicht mehr für eine große Medienmarke, sondern in seinem eigenen Namen. Er/Sie spricht eine in der Regel kleinere, engagierte Zielgruppe an, verlangt Geld von Nutzer:innen (etwa für einen Newsletter), verkauft Anzeigen und/oder verdient Geld mit Vorträgen, Moderationen und Beratungsleistungen. In meinem R&D-Fellowship beim Media Lab Bayern habe ich mit mehr als zwei dutzend Kolleg:innen und Medienprofis gesprochen und gelernt: 

Nach der Veröffentlichung des Beitrags habe ich folgende Fragen immer wieder gehört: In welchen Nischen liegt Potenzial? Wie genau baue ich mein eigenes Angebot auf? Und wie verdiene ich damit Geld? Ich möchte in diesem Post eine Antwort auf diese Fragen geben und an einem Beispiel durchspielen, wie du ein eigenes Angebot aufbauen kannst. Nimm dir ein wenig Zeit, wir tauchen tief in die Materie ein...

Es gibt unendlich viele Nischen, in die Journalist:innen mit einem eigenen Angebot vorstoßen können – vom Online-Lifestyle-Magazin für afrodeutsche Frauen bis hin zu einem Newsletter über die Seattle Seahawks, einem American-Football-Team. Besonders attraktiv sind hochspezialisierte Branchen, in denen viele Menschen arbeiten und für die es nur wenig verlässliche, tiefgehende Informationen gibt. Heinz-Roger Dohms und Christian Kirchner von finanz-szene.de verschicken seit 2017 einen werbefinanzierten Newsletter für die Banken- und Fintech-Branche an mehr als 30.000 Abonnent:innen. Dieses Konzept lässt sich auf viele andere Branchen im Industrie- und Dienstleistungsbereich übertragen, wobei Unternehmen wie der Tagesspiegel oder das Handelsblatt bereits einige Marktlücken mit hochpreisigen Angeboten besetzt haben.

Interessant wird es für creators auch, wenn sie ihr kostenpflichtiges Angebot nicht nur an einzelne Privatpersonen richten, sondern auch an Unternehmen, die ganze Abo-Pakete für ihre Mitarbeiter buchen. Das Social Media Watchblog fährt eine solche B2B-Strategie und verdient gutes Geld mit mehr als 50 institutionellen Kunden. Für Unternehmen ist ein Firmenabonnement eine überschaubare jährliche Ausgabe; für creators bedeutet der Betrag eine gewisse Planungssicherheit.

Im Lokaljournalismus sehe ich ein weiteres spannendes Feld für creators. Viele Regionalverlage erwirtschaften bis heute den ganz großen Teil ihrer Einnahmen mit dem Printgeschäft, das immer mehr und immer schneller bröckelt. Sie haben viel zu lange nicht in (gute) digitale Produkte investiert, und so beschränken sich ihre digitalen Angebote mancherorts auf ein ePaper, eine PDF-Version der Zeitung. Einige Verlage haben Paywalls hochgezogen, 85% von ihnen schätzen die Bedeutung von Paid Content mittlerweile „als strategisch hoch oder sogar existenziell“ ein. Ob das mittelfristig reichen wird, die rückläufigen Anzeigen- und Abonnementerlöse im Printgeschäft auszugleichen?

Unzählige Lokalredaktionen sind in einem jahrelangen Schrumpfprozess schrittweise ausgedünnt worden. Die Qualität ihrer Angebote leidet mit jeder Pressemitteilung, die mehr oder weniger unredigiert auf der Seite landet und mit jeder Geschichte, die aus purem Zeitmangel nur halbherzig recherchiert und redigiert wird. Die Zeitungsseiten müssen ja irgendwie gefüllt werden. Hinzu kommt, dass sich viele Regionalverlage einen teuren Mantelteil leisten, der qualitativ nicht mit den Angeboten von Spiegel, Frankfurter Allgemeinen und Süddeutscher Zeitung oder spezialisierten Nischenangeboten mithalten kann. Das All-in-one-Geschäftsmodell, das Verlegerfamilien jahrzehntelang enorm hohe Renditen gebracht hat, funktioniert heute nicht mehr.

Viele Regionalverlage sind angreifbar geworden. Sie sind nicht in der Lage, die digitalen Produkte anzubieten, die ihre Nutzer:innen haben wollen. Oder zumindest nicht die, für die sie bereit sind zu zahlen. Und für Innovationen fehlen Geld, Zeit und Know-How. Hier ist ein Vakuum entstanden, in das Journalist:innen mit den neuen Möglichkeiten der creator economy und einem auf die konkreten Bedürfnisse ihrer Zielgruppe ausgerichteten Angebot kostengünstig eindringen können. (Ich möchte an der Stelle einmal betonen, dass es auch regionale Häuser in Deutschland gibt, die hervorragende Digitalprodukte entwickelt haben und einer guten Zukunft entgegensehen.)

Vor allem in den USA haben neue Medienunternehmen lokale Nischen besetzt. Die neuen Publikationen setzen auf Mitgliedschaftsmodelle (z.B. The Oaklandside, Lookout Santa Cruz), auf bezahlte (Charlotte Ledger, z.T.: The Mill in Manchester) oder werbefinanzierte Newsletter (6amcity, demnächst: Axios Local). In Münster zeigt Rums, wie man mit einem bezahlten Newsletter erfolgreich sein kann; nach nicht einmal einem Jahr hat das Unternehmen 1500 zahlende Abonnent:innen.

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