Gemeinschaft als Zukunftsmodell
Juliane Gunardono (Golem Media) arbeitet am Aufbau einer Community für IT-Expert:innen. Wie wird daraus ein Ort mit echter Relevanz und Anziehungskraft?
Das Ergebnis
Golem ist eine der führenden Stimmen im deutschsprachigen IT-Journalismus
Im Strategie Sparring des Media Lab Bayern erarbeiteten Chefredakteurin Juliane Gunardono und Fellow Philippe Kramer eine klare Grundlage für den Aufbau einer Golem-Community.
Hintergrund
Golem steht an einem Wendepunkt: Vom etablierten IT-Magazin entwickelt es sich zu einer Wissensplattform, die Menschen miteinander ins Gespräch bringt. Denn Wissen über Technologie wächst heute dort, wo Fachleute und Journalist:innen ihre Perspektiven teilen – nicht in isolierten Silos.
Genau hier setzt Golem an. Mit der geplanten Community soll ein Ort entstehen, an dem sich IT-Expert:innen auf Augenhöhe begegnen, Erfahrungen teilen und gemeinsam Orientierung in einer sich rasant verändernden Tech-Welt schaffen.
Die Arbeit im Programm
Um diesen Wandel gezielt vorzubereiten, nutzte Juliane das Strategie Sparring als Experimentierraum.
Die zentrale Frage zu Beginn: Wie lässt sich aus Hypothesen, Erfahrungen und verstreuten Analysen eine belastbare Strategie entwickeln, die intern überzeugt und zugleich erste Resonanz bei der Zielgruppe testet?
Vorgehensweise
- Zielgruppen verstehen: Systematische Nutzerforschung mit der Erstellung von Personas, einer detaillierten Bedürfnisanalyse und der Ableitung von sieben möglichen Community-Richtungen.
- Strategie strukturieren: Entwicklung eines Hypothesenkatalogs für strukturierte Tests, eines Anforderungskatalogs für Community-Software sowie die Definition eines Rollenprofils für eine künftige Community-Manager:in.
- Praxis testen: Erste Call-outs, Quizzes und Umfragen direkt auf Golem.de sowie ein erstes Proof of Concept: eine Slack-Gruppe für IT-Expert:innen, die freiberuflich für Golem tätig sind. Sie ließen den „Community-Instinkt“ im Team wachsen und machten erste Resonanz in der Zielgruppe sichtbar.
Strategische und praktische Verzahnung
Während Juliane tiefes Zielgruppenwissen und interne Legitimation einbrachte, ergänzte Philippe systematische Community-Expertise und Impulse aus der Plattform-Ökonomie. Gemeinsam entwickelten sie einen zweigleisigen Ansatz: strukturierte Strategiearbeit auf der einen Seite, konkrete Experimente auf der anderen.
Diese Kombination sorgte dafür, dass Strategie und Praxis sich gegenseitig ergänzten und die Erkenntnisse aus den Tests direkt in die konzeptionelle Weiterentwicklung einfließen konnten.
Business Case und Ausblick
Das Ergebnis dieser intensiven Zusammenarbeit lässt sich sehen: Juliane und Philippe legten mit ihrer Arbeit die Basis für eine Community-Infrastruktur, die auf interner Akzeptanz ebenso wie auf realen Nutzer:innenreaktionen fußt.
Das Projekt-Tandem
Führungskraft

Chefredakteurin - Golem Media
Juliane ist Journalistin mit Weitblick und klarem Kompass. Seit 2010 gestaltet sie Golem.de inhaltlich und strategisch mit, sorgt für journalistische Qualität und ein starkes Team. Als ausgebildete Mediatorin legt sie besonderen Wert auf gute Kommunikation und kreative Freiräume im redaktionellen Alltag.
Fellow

Co-Founder - The European Correspondent
Philippe ist Mediengründer und will durch zugänglichen Journalismus die europäische Zusammenarbeit fördern. Mit The European Correspondent hat er 2022 ein grenzüberschreitendes Medienprojekt aufgebaut. Über das R&D Fellowship kam er ins Strategie Sparring und vereinte dort Unternehmergeist mit Community-Fokus.
Von der Herausforderung zum Pilotprojekt
Digitale Medien sehen sich heute mit zwei zentralen Entwicklungen konfrontiert: Einerseits wächst die Abhängigkeit von Plattform-Algorithmen. Zugleich steigt der Bedarf an vertrauenswürdigen Communitys, in denen sich Nutzer:innen austauschen, Expertise teilen und die Räume aktiv mitgestalten wollen.
An diesem Punkt steht Golem Media. Mit Golem.de ist das Medienhaus seit Jahrzehnten eine der führenden Stimmen im deutschsprachigen IT-Journalismus. Die Zielgruppe besteht aus hochspezialisierten Expert:innen, die Wert auf Tiefe, Relevanz und Qualität legen. Für sie bietet Golem neben hochwertigen journalistischen Informationen unter anderem auch Weiterbildungs- und Coaching- sowie Job-Services und Studien an. Bei all diesen Angeboten stehen die Bedürfnisse von IT-Professionals im Fokus.
Für eben diese Zielgruppe schafft Golem eine Community. Einen digitalen Ort, an dem Austausch möglich wird, der über Kommentarspalten und Plattformlogiken hinausgeht. Im Mittelpunkt steht nicht die reine Vernetzung, sondern ein geschütztes, clubähnliches Umfeld, das Nähe schafft, Engagement fördert und Raum für neue Angebote öffnet. Auf dieser Basis will Golem seine Unabhängigkeit von externen Plattformen stärken und sich zugleich klar gegenüber KI-generierten Angeboten positionieren.
„Wir wollen unsere IT-Expert:innen in einer Community vernetzen, um aus ihrem Engagement echten Mehrwert zu schaffen.“ – Juliane Gunardono
Ohne eine fundierte Community-Strategie wird diese Transformation aber nicht gelingen. Das war Chefredakteurin Juliane Gunardono bewusst. Doch die bisherigen Vorarbeiten – ein erstes Konzept sowie ein externer Beratungsimpuls – hatten mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Am Ende stand ein unübersichtliches Dokument voller Hypothesen, ohne klare Richtung und vielen offenen Fragen:
- Wie gelangt man von ersten Ideen und Fakten zu einer validen Roadmap mit USP, KPIs und Business Case?
- Welche Ressourcen und Kompetenzen braucht es für den Aufbau?
- Und wie wird aus einer Strategie ein konkreter erster Prototyp?
Juliane bewarb sich für das Strategie Sparring des Media Lab Bayern, um Klarheit zu gewinnen. Ihr Ziel: aus verstreuten Hypothesen, Konzepten, Umfragen und Analysen eine konsistente, tragfähige Strategie für die Golem-Community zu entwickeln.
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Die Strategiephase
Zu Beginn des Strategie Sparrings war für Juliane vor allem die Struktur des Programms hilfreich. Feste Termine, Coachings und Präsenzphasen sorgten dafür, dass das Projekt im Alltagsgeschäft nicht unterging. Gleichzeitig konnte sie intern klar kommunizieren und sich so Freiräume im Kalender blocken. Auf diese Weise wurde das Programm für sie zu einem Schutzraum. Und ein Rahmen, in dem das Projekt sichtbare Priorität bekam.
Gleichzeitig zeigte sich, wie herausfordernd die interne Ausgangslage war. Ressourcenknappheit und fehlendes Know-how bei der Konzeption einer neuen Community stellten das Projekt von Beginn an vor Hürden. Juliane trug die Verantwortung weitgehend allein, lediglich unterstützt von einer operativ arbeitenden Kollegin. Daraus ergaben sich aber auch Chancen: kurze Entscheidungswege und die Möglichkeit, Vorhaben rasch umzusetzen.
„Wir haben keine eigene Community-Abteilung. Das ist herausfordernd, aber zugleich ein Vorteil, weil wir extrem schnell entscheiden können.“ – Juliane Gunardono

Alles begann mit Stift und Papier: Die Führungskräfte sollten ihr Projekt skizzieren. Ein erster Schritt, um Ideen sichtbar zu machen.
Auf dieser Basis startete Juliane mit einer intensiven Research-Phase. Ziel war es, die Nutzungserwartungen und Bedürfnisse der Zielgruppe systematisch zu erfassen und Annahmen durch belastbare Daten zu überprüfen.
Die Untersuchung fiel entsprechend breit aus: Golem organisierte eine eigene Community-Konferenz, startete einen umfangreichen Fragebogen unter Leser:innen, führte Umfeld- und Mitbewerberanalysen durch und bündelte alle Ergebnisse auf einem großen Miro-Board. Darauf basierend wurden Personas erstellt, Jobs-to-be-done abgeleitet, Bedürfnisse geclustert und erste Richtungen für die Strategie herausgearbeitet.
Bei der Mitbewerberanalyse zeigte sich auch die große Herausforderung durch reichweitenstarke Konkurrenz-Plattformen wie Reddit, Stack Overflow oder Discord. Umso klarer wurde, dass Golem eine Community entwickeln musste, die sich durch Qualität, Verlässlichkeit und einen geschützten Rahmen bewusst davon unterscheidet.
Am Ende stand jedoch vor allem eines: eine beeindruckende Menge an Daten und Hypothesen. Was fehlte, war die klare Linie.
„Wir dachten: Hoffentlich finden wir jetzt den Punkt, an dem wir sagen können: Genau das wollen wir machen. Aber da waren wir noch nicht.“ – Juliane Gunardono
Hilfreich waren in dieser Phase vor allem die methodischen Impulse und Tools der Coaches, etwa die Auftragsklärung, die Ausarbeitung einer Timeline oder eine Heatmap zur Auswertung von Nutzerdaten.
Das kritische Sparring mit Business-Coach Angelika Goll erwies sich dabei als besonders wertvoll. Juliane wusste, dass Angelika in anderen Projekten sehr konsequent Hypothesen hinterfragt hatte – und forderte genau das auch für ihr Projekt aktiv ein. Angelika legte gezielt den Finger auf Stellen, an denen die Argumentation noch unklar war, und half so, die eigentlichen Ziele klarer zu fassen und die Struktur des Projekts zu schärfen.
Auch Strategie-Coach Konrad Weber gab Juliane entscheidende Impulse. Insbesondere zu dem Zeitpunkt, als bereits viele Informationen gesammelt waren und die Herausforderung bestand, aus vielen Erkenntnissen eine klare Richtung abzuleiten.

Fellow-Support
Als Juliane in die Ideation-Phase starten wollte, stieg Fellow Philippe Kramer ins Projekt ein. Er half, das weitere Vorgehen zu strukturieren und brachte seine Community-Expertise ein. Seine Empfehlung: Hypothesen früh durch kleine Experimente testen.
Für Juliane war das eine Herausforderung: Sie benötigte eine belastbare Strategie, um das Projekt im Haus zu verankern – einschließlich eines klaren Ressourcen- und Finanzierungsrahmens. Philippes Ansatz setzte dagegen auf frühes Ausprobieren statt langer Planung.
„Bei Community-Projekten bringt es nichts, zu lange auf der strategischen Flughöhe zu verweilen. Wir mussten ins Machen kommen.“ – Philippe Kramer
Dieser Gegensatz ließ sich nur schrittweise – und auch nur teilweise – auflösen. Einerseits brauchte das Projekt eine klare strategische Grundlage, um Rückhalt zu gewinnen. Andererseits zeigte sich erst in ersten konkreten Versuchen, wie eine Golem-Community tatsächlich aussehen könnte.
Deswegen entwickelten Juliane und Philippe einen zweigleisigen Ansatz:
Auf strategischer Ebene verdichteten Juliane und Philippe die Erkenntnisse aus der Research-Phase. Aus den gesammelten Daten entwickelten sie Personas, clusterten zentrale Bedürfnisse und übersetzten diese in sieben mögliche Community-Richtungen. Hier half Philippe mit seiner Erfahrung aus der Plattform-Ökonomie, Annahmen konsequent zu hinterfragen und in klare Hypothesen zu übersetzen.
Diese wurden in einen Hypothesenkatalog übertragen, der helfen sollte, künftige Experimente gezielt zu strukturieren. Parallel entstand ein Anforderungskatalog für eine mögliche Community-Software sowie ein Rollenprofil für eine künftige Community-Manager:in. Ein wichtiger Schritt, um das Projekt langfristig organisatorisch abzusichern.
Auf praktischer Ebene ging es darum, erste Resonanz zu testen und das Gespür für die entstehende Community zu stärken. Dafür starteten Juliane und Philippe, unterstützt durch die Community-Mitarbeiterin von Golem, kleine Experimente direkt auf der Golem-Seite: mal kurze Quizzes, mal Umfragen, mal kreative Call-outs. Diese Mikro-Experimente forcierte Philippe gezielt, um im Team das Gefühl dafür zu vertiefen, welche Impulse tatsächlich Resonanz erzeugen.
Aufbauend auf diesen Tests entstand parallel das erste Proof of Concept: eine Slack-Gruppe für freiberufliche IT-Expert:innen, die bereits mit Golem zusammenarbeiten. Sie diente als geschützter Testraum, um Austauschformate und Themeninteressen der Zielgruppe praktisch zu erproben – und gleichzeitig das neu entstehende Community-Bewusstsein im Team zu stärken.

Besonders erfolgreich war eine Aktion, bei der die Leserschaft gebeten wurde, Screenshots ihrer liebsten „veralteten IT-Dashboards“ einzusenden. Über 60 Beiträge kamen zusammen. Ein klares Signal, dass die Community bereit war, sich aktiv einzubringen. Andere Tests liefen ins Leere, doch auch das war wertvoll. So konnte das Team nach und nach erkennen, welche Impulse Resonanz erzeugen und welche nicht.
Deutlich wurde dabei auch: Für IT-Profis geht es nicht nur um den fachlichen Austausch. Ebenso wichtig sind emotionale Faktoren: Wertschätzung, Zugehörigkeit und das Gefühl, Teil eines vertrauenswürdigen Raums zu sein. Diese Dimension erwies sich als mindestens ebenso zentral wie die inhaltliche Tiefe.
„Es war schön zu beobachten, wie bei Golem allmählich ein Community-Instinkt entsteht. Von ersten Ideen in der Redaktion bis hin zu einer strukturellen Verankerung.“ – Philippe Kramer
Für die Redaktion selbst war das mindestens genauso wichtig wie für die Leserschaft. Das Team begann, eigene Fragen an die Community einzubringen, etwa zu technischen Umstellungen oder Fachthemen. Damit wuchs das Bewusstsein, dass Leser:innen nicht nur Konsument:innen, sondern aktive Partner:innen im redaktionellen Prozess sein können.
Gleichzeitig blieb ein Spagat bis zum Ende herausfordernd: Die Geschäftsführung fragte nach Wirtschaftlichkeit und Skalierbarkeit, während das Projektteam noch mitten im Erkunden und Testen steckte.
Am Ende des Strategie Sparrings stand deshalb der erste Aufschlag für ein Proof of Concept – und vor allem ein Prozess, der Strategie und Praxis bewusst miteinander verzahnt. Erste Thesen wurden getestet, Grundlagen für eine künftige Community-Infrastruktur gelegt und ein klareres Bild davon gewonnen, welche Rolle Community für Golem künftig spielen kann.
„Wir haben zwar keine Strategie erarbeitet. Aber die Schritte definiert, wie wir dahin kommen.“ – Juliane Gunardono
Learnings
Das Projekt von Juliane und Philippe zeigt, wie Community-Building zwischen Strategiebedarf und Experimentierdrang entstehen kann. Vier zentrale Erkenntnisse für Medienschaffende, die eigene Community-Initiativen starten wollen:
Strategie und Praxis gehören verzahnt
Eine Community entsteht nicht am Whiteboard. Bereits kleine Experimente zeigen, welche Impulse tatsächlich Resonanz erzeugen. Wer Strategie und Praxis parallel entwickelt, gewinnt Legitimation nach innen und ein Gespür für die Nutzer:innen.
Unklarheit aushalten können
Gerade in frühen Phasen gibt es keine fertige Roadmap. Die Fähigkeit, Zwischenzustände auszuhalten und Erkenntnisse Schritt für Schritt in den Prozess einzubauen, ist entscheidend. Klarheit entsteht weniger durch Planung als durch Praxis.
Interne Legitimation braucht harte Fakten
Damit Community-Projekte Ressourcen bekommen, reicht Begeisterung nicht aus. Systematische Research-Phasen schaffen belastbare Daten zu Bedürfnissen, Marktumfeld und Softwareanforderungen. Eine Grundlage, die Skeptiker:innen überzeugt und Planungssicherheit bietet.
Community-Kompetenz muss wachsen
Der Aufbau einer Community braucht viel Zeit. Und ihr Nutzen ist nicht unbedingt in konkreten Geldflüssen zu messen. Externe Expertise, methodisches Sparring und die gezielte Entwicklung eines „Community-Instinkts“ im Team sind entscheidend, um erste Tests zu interpretieren und langfristig tragfähige Strukturen aufzubauen.
Ausblick
Für die kommenden zwölf Monate liegt ein klarer Fahrplan vor, abgestimmt mit der Golem-Geschäftsführung. Die Slack-Community (Proof-of-Concept) soll um mehrere Hundert neue Mitglieder:innen wachsen, deren Feedback gezielt in die Weiterentwicklung der Plattform einfließt.
Für das Jahr 2026 ist der Ausbau zu einer aktiven Community mit rund 1.000 Mitglieder:innen geplant. Parallel dazu soll der Umzug auf eine neue Community-Software erfolgen, die derzeit geprüft wird. In einem weiteren Schritt wird das bestehende Artikelforum technisch und inhaltlich an die neue Community-Plattform angeschlossen.
Bis Herbst 2026 sollen folgende Grundlagen geschaffen werden:
- ein verbindliches Regelwerk für die neue Community
- definierte Prozesse für Redaktion und Moderation
- die Überprüfung noch offener Hypothesen
- die Entwicklung geeigneter Engagement-Maßnahmen für die Zielgruppe, einschließlich Remote- und Live-Networking-Events
- Konzepte, um die Expertise der Community gezielt für Golem nutzbar zu machen
- klare KPIs sowie eine Monetarisierungsstrategie für 2027
- eine Bedarfsanalyse zu Personal und Ressourcen für die Skalierung ab 2027