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24. August 2021
Media Research & Development, Media Trends

Einfach mal fragen - Warum Nutzerbefragungen dich wirklich weiterbringen

Einfach mal fragen - Warum Nutzerbefragungen dich wirklich weiterbringen

Foto: Media Lanb Bayern

Text: Alexander Büsing
Foto: MLB

Check Your Bias - Aus dem eigenen Kopf herauskommen

In unseren Blogartikeln sprechen wir immer wieder darüber, wie wichtig es ist, seinen Nutzer:innen zuzuhören und die eigene Idee, bzw. das eigene Produkt möglichst nah an den User:innen zu entwickeln. Unsere R&D Fellows erzählen aus der Praxis, wie sie durch User-Interviews ihre Produktideen verworfen, neugestaltet und für den Markt zugeschnitten haben.

Es ist völlig normal, die eigenen Annahmen und Einschätzungen als Basis für die Entwicklung einer Medienidee zu verwenden. Du profitierst von deinen eigenen Eindrücken und der Wahrnehmung anderer. Dadurch werden Needs identifiziert, also die Nachfrage nach einer Lösung für ein ganz spezifisches Problem. Tatsächlich müssen aber weder die persönliche Wahrnehmung, noch die Aussagen engeren Kontakte repräsentativ sein.

Wenn du viele Podcasts konsumierst, wird bei dir vielleicht der Eindruck entstanden sein, dass bei dem wachsenden Angebot gerade eine Übersättigung des Marktes und des Nutzerinteresses eintritt. So einen Wandel zu beobachten bietet dir natürlich die Gelegenheit, um eine Lösung für dieses Problem anzubieten, wie etwa einer App, um für bessere Übersicht zu sorgen. In deinen Nutzerbefragungen wirst du aber dann vielleicht feststellen, dass deine ursprüngliche Annahme nicht unbedingt so zutrifft.

So erging es zum Beispiel unserem R&D Fellow Gregor Schmalzried, der verschiedene Payment-Modelle für Podcasts und damit natürlich auch das Nutzungsverhalten untersucht hat.


R&D Fellow Gregor Schmalzried

"Die Gespräche waren für mich auch deshalb spannend, weil sie mir zeigten, wie wenig repräsentativ mein eigener Podcast-Konsum eigentlich ist. Zum Beispiel war ich in meinem Kopf irgendwie immer davon ausgegangen, dass alle anderen - genau wie ich - sich daran stören, dass das Podcast-Angebot überläuft und kein Mensch mehr hinterherkommt.
Bei meinen Nutzerbefragungen kam dann auf einmal die Erkenntnis: Viele Leute sehen das überhaupt nicht so. Und in manchen Podcastkategorien gibt es gerade sogar richtige Versorgungslücken"

Bonuscontent, Persönlicher Bezug, Community

Was Gregor hier gemacht hat, ist übrigens der erste Schritt auf dem Experiment Tracker. Das, worauf dein Plan aufbaut, muss dieser Hinterfragung standhalten. Tut es das nicht, bedeutet das: Umdenken und etwas Neues ausprobieren!

Für Gregor hat es sich definitiv gelohnt, andere Nutzer:innen von Podcasts in seine Idee einzubeziehen und so unmittelbar auf Dinge zu stoßen, die er selbst vielleicht gar nicht wahrgenommen hätte. Nicht etwa eine Übersättigung findet statt, viele Nutzer:innen vermissen Bonuscontent zu ihren bevorzugten Podcasts, wünschen sich eine persönlichere Einbeziehung durch Mentions und eine höhere Interaktivität durch Community- und Kommentarfunktionen. Gregor fasst es selbst am besten zusammen: "Eben weil die von mir Befragten in ihrem Nutzungsverhalten und in ihren Vorstellungen so unterschiedlich waren, blieben die Gemeinsamkeiten ihrer Aussagen besonders lange haften."

Check Your Method - Nutzerbefragungen richtig durchführen

Reicht eine Nutzerbefragung in der Regel aus? Wenn wir schon so fragen, kennst du die Antwort sicher bereits. Es ist nicht nur notwendig, sondern bereichernd, immer wieder zum Feedback der Nutzer:innen zurückzukehren. So wird beispielsweise überprüft, wie gut Anpassungen und Änderungen ankommen, und gleichzeitig kann frühzeitig auf Veränderungen im Nutzungsverhalten reagiert werden. Außerdem geben die Ergebnisse aus den Befragungen einen Überblick darüber, wie die eigene Zielgruppe zusammengesetzt ist.

Ausschlaggebend ist natürlich auch, wie du deinen User Research durchführst. Eine Möglichkeit, um objektivere Ergebnisse zu sichern, setzte unsere R&D Fellow Katharina Schreiber um. Sie untersuchte, wie Nachrichten und journalistische Inhalte personalisiert werden können, damit sie eine Rolle im Leben der Gen Z spielen.


R&D Fellow Katharina Schreiber

"Für das Interview-Setting waren drei Rollen vorgesehen: Interviewer, Notizenschreiber und Beobachter. Das sollte dazu beitragen, subjektive Ansichten und Interpretationen zu relativieren. Zu Beginn des Video-Calls gab es eine Vorstellung und Einleitung, als das Interview begann haben die Notizenschreiber und Beobachter ihre Kamera ausgeschaltet und ihre Mikrofone auf stumm gestellt, um zwischen dem Interviewer und den Befragten eine lockere Gesprächsatmosphäre herzustellen. Das Interview wurde in sieben Themenblöcke unterteilt: Profil der Befragten, digitales Leben, Lebenswelt, News, Personalisierung und konkrete Fragen. Besonders wichtig war mir eine ungezwungene Stimmung und eine empathische Kommunikation mit den Befragten."

Insights für Social Media News

Durch die ausführliche Befragung konnte Katharina einige wichtige Erkenntnisse für ihr eigenes Projekt gewinnen - und genau die Wünsche und Bedürfnisse der Gen Z fokussieren, auf denen ihre Medienidee aufbauen soll.

So stellt sich heraus, dass für viele der Befragten Social Media Kanäle wie Instagram vor allem dann zum festen Bestandteil ihres Alltags und zur Inspiration werden, wenn die Kanäle tiefere Einblicke in das persönliche Leben der Kanalbetreiber:innen bieten. Auch handelt es sich bei den Meisten vor allem um Konsument:innen und nicht um aktive Selbstdarsteller:innen. Insgesamt wurden kurzlebige Posts, wie Stories oder Reels bevorzugt.

Soziale Bereiche wie die LGBTQA+-Community stehen hoch im Kurs, dagegen fehlt der Bezug zu politischen Themen. Die Begründungen sind vielfältig: "Über gesellschaftspolitische Sachen reden wir gar nicht so - da sind wir zu jung", gibt ein Befragter an. Andere bemängeln, dass "herkömmliche Nachrichten innovativer werden" müssten.

Der Umgang mit Algorithmen, die alle Social Media und News-Kanäle dominieren, ist allerdings zwiespältig: irgendwo zwischen Akzeptanz und Sorge. Einige versuchen "bewusst den Algorithmus auf TikTok zu trainieren, indem sie für sie uninteressante Videos wegdrücken", erklärt Katharina. Andere sehen auch die positiven Aspekte: "Es ist schon erschreckend, wie viel das Internet über einen weiß, aber es ist auch praktisch", gibt ein anderer Befragter zu Protokoll.

Auszug aus Katharinas Auswertung nach mehren Befragungen.

Check Your Bubble - Von der Befragung zum Gespräch

Befragungen rücken natürlich unweigerlich einen Teil des Dialogs - also die Befragten - in eine passive Rolle. Der offene Austausch ist wichtig und erwünscht, aber in einer experimentellen Situation trotzdem einer gewissen Kontrolle und Leitung unterworfen. Dass der Bedarf an einer lebendigen Community wächst, die sich offen auf einer frei zugänglichen Plattform austauscht, hat unsere R&D Fellow Patrizia Barbera klar herausstellen können. Ihre Medienidee: Eine Plattform, die es ermöglicht, Journalist:innen und Redakteur:innen mit Konsument:innen und Nutzer:innen zum offenen Austausch - eine Art gemeinsames Frühstück - zusammenzubringen.


R&D Fellow Patrizia Barbera

"Haben User:innen das Bedürfnis nach einer Plattform, die nach dem Motto „Spotify für News“ journalistische Inhalte gebündelt und zu einem Fixpreis anbietet? Was genau wäre ihnen hierbei wichtig, gerade auch im Vergleich schon zu existierenden Aggregatoren wie Google News? Wie sieht es von Verlagsseite aus: Gibt es Bemühungen, branchenintern eine Plattform aufzubauen, auf der man Inhalte selbstbestimmt vermarkten kann? All diese Fragen haben mich zu Beginn meines Fellowships beschäftigt."

Bubble-Awareness, Partizipation, Vertrauenskrise

Aus den Befragungen ging für Patrizia klar hervor: Der Wunsch der Nutzer:innen geht "Weg von passiv konsumierenden und zahlenden Abonennt:innen hin zu einer aktiven Community oder einem Member der Zeitungsfamily". Das Stichwort "Partizipativer Journalismus" sticht klar hervor und macht deutlich: es braucht den Austausch zwischen Produzent:innen und User:innen. Dabei liegt der Fokus weniger auf der von Patrizia als Beispiel herangezogenen Plattform, sondern auf dem direkten Austausch zwischen Verlag, Redaktion und Lesenden bzw. Zuschauenden und Zuhörenden.

Dass sich viele innerhalb einer Meinungs-Bubble, also einem geschlossenen und sich selbst bestätigenden Informationsraum, befinden, war den meisten Befragten bewusst. Eine Befragte fasst es so zusammen: "Vielleicht wäre es ganz spannend, mal auch andere Sichtweisen angezeigt zu bekommen. Ich muss dann ja nicht draufklicken“. Patrizia nimmt aus den Befragungen auch mit: die Hürde, aus der Bubble auszutreten ist noch immer sehr hoch. Es fehlt an Dingen, die das leichter machen. So fasst sie zusammen: "Besonders spannend fand ich die Widersprüchlichkeit. Sie alle waren sich unter Angabe von einem schlechten Gewissen ganz bewusst, dass sie sich nur in ihrer Bubble informieren, fühlten sich damit eigentlich wohl und es entsprach auch ihrem gewollten Zeitaufwand für die Informationsbeschaffung. Jedoch bestand bei allen bei näherem Nachfragen ein Interesse an den Anderen und wie sie sich informieren, zu ihrer Meinung kommen und wie wohl andere Perspektiven auf die jeweiligen Themen aussähen."

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