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Abschlussarbeiten im Media Lab | 01.10.2025

Wie KI die Schreibprozesse im Journalismus verändert

Künstliche Intelligenz verändert die Arbeitswelt, auch die von Journalist:innen. Können deren Texte durch eine KI klingen wie die von Wolf Schneider - einem der strengsten Stilkritiker? Ich habe die WSKI getestet: Wo hilft sie, wo scheitert sie – und was verrät das über die Zukunft des Journalismus?

Wolf Schneider und die Wolf-Schneider-KI

Wolf Schneider gilt als einer der einflussreichsten Sprachstilisten des deutschen Journalismus. Mit mehr als 20 veröffentlichten Büchern hat er Generationen von Journalist:innen geprägt. Im Fokus meiner Masterarbeit stand die auf seinem Regelwerk basierende Wolf-Schneider-KI (WSKI) – eine Anwendung der Reporterfabrik von CORRECTIV. Anders als viele andere KIs generiert die WSKI nicht einfach Texte als Reaktion auf Prompts. Sie überarbeitet bestehende Beiträge, gibt Rückmeldung zu Stil, Verständlichkeit und Präzision – und könnte so Journalist:innen nicht ersetzen, sondern beim Schreiben unterstützen.

Screenshot der Wolf Schneider KI
Screenshot der WSKI mit Anleitung für Bedienungshilfe (© Reporterfabrik)

Anwendung der WSKI auf verschiedene Darstellungsformen

Für meine Masterarbeit habe ich die KI auf vier Darstellungsformen angewandt: Nachricht, Bericht, Reportage und Kommentar. Zudem habe ich elf Expert:innen aus dem KI- und Journalismusbereich zu Künstlicher Intelligenz in Schreibprozessen, speziell der WSKI, befragt. Außerdem habe ich untersucht, wie Redaktionen die WSKI wahrnehmen und einsetzen können.

Meine Ergebnisse zeigen: Die WSKI bietet vor allem Potenzial im Bereich Routinetexte, wie etwa Nachrichten, Wetterberichte oder Meldungen. Sobald jedoch Erlebnisberichte, Reportagen oder persönliche Eindrücke gefragt sind, stößt sie an Grenzen. Journalist:innen bleiben hier unverzichtbar – nicht nur wegen ihres Erlebens, sondern auch wegen ihrer Fähigkeit zum bewussten Regelbruch, zur Intuition und zum Sprachgefühl.

„Am Ende ist oft die Abweichung vom Standard das, was beim Leser hängen bleibt“, so einer meiner Interviewpartner. Denn: (WS-)KI kann helfen – aber sie kann nicht fühlen. Sie optimiert, aber sie erzählt nicht selbst. Sie erkennt Muster, aber sie versteht nicht unbedingt, wenn Formulierungen auch mal mit Absicht vom Stil abweichen. Und: Sie liefert kein menschliches Fühlen und Erleben.

Potentiale im redaktionellen Kontext

Die WSKI hat den Anspruch, Feedback zu Sprache, Satzbau und Verständlichkeit zu geben – ohne dabei selbst neue Inhalte hinzuzufügen. Das unterscheidet sie grundlegend von klassischen generativen KIs wie ChatGPT. „Die größte Stärke der WSKI ist, dass sie nicht nur Texte produziert, sondern den Schreibenden auch trainiert“, sagte ein weiterer Interviewter. Auch der Begriff des „perfekten Sparringpartners“ fiel mehrfach: Die WSKI hilft dabei, alternative Formulierungen zu finden und Texte stilistisch klarer zu machen. Laut den Entwicklern liegt der Fokus zudem darauf, Schachtelsätze aufzulösen, Füllwörter zu streichen und überflüssige Adjektive zu reduzieren. Das Ziel: bessere Lesbarkeit, ohne Inhalte zu verändern. Das bringt große Potentiale in Routineaufgaben und Inspiration für neue Berichterstattung mit sich.

Risiken und Herausforderungen von (WS-)KI

Die Interviewpartner betonten insbesondere, dass sich die WSKI abhängig vom Unternehmen OpenAI und dessen Entwicklungen macht, da es auf dem Large Language Model GPT basiert. Bei der WSKI sei allerdings – im Gegensatz zu ChatGPT von OpenAI – das Halluzinieren, also das freie Erfinden von Informationen, nicht gegeben. Ethische Fragen bleiben trotzdem – oder gerade deshalb: Zwar halluziniert die WSKI keine Inhalte, doch auch sie kann (aus stilistischen Gründen) Formulierungen ungewollt verändern. Auch das Thema Bias ist relevant, da die WSKI auf einem festen Regelwerk basiert, das von menschlichen Wertungen geprägt ist. Personen, die Wolf Schneiders Regelwerk als nicht mehr zeitgemäß empfinden, werden auch die Verbesserungsvorschläge der WSKI, die auf dem Regelwerk basiert, nicht als hilfreich empfinden.

Handlungsempfehlungen und Perspektiven

Künstliche Intelligenz wird den Journalismus vorerst nicht ersetzen, aber fortlaufend verändern. Und die WSKI zeigt: Diese Veränderung kann nicht nur technologisch, sondern auch stilistisch inspiriert sein. So entstehen durch die WSKI auch neue Fragen: Wie kann KI das Wissen und Vermächtnis verstorbener Personen digitalisieren bzw. archivieren? Kann eine KI erkennen, wenn sie selbst halluziniert? Und: Könnten künftig weitere Tools auf Basis stilistischer Leitbilder wie Wolf Schneider entstehen – und werden sie dann den Stil dieser Journalist:innen vollständig reproduzieren können?

Klar bleibt: KI-Schreibtools wie die WSKI können viel leisten und fordern gleichzeitig Verantwortung ein. Journalist:innen müssen verstehen, wie und wann solche Tools funktionieren, und lernen, auf welchen Daten sie basieren. Aber das Gespür für Geschichten, für Relevanz, Sprache und Haltung – das bleibt bei uns Menschen.

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Artikel written by

Philine Elster

Philine Elster ist Master-Absolventin an der Universität zu Köln im Studiengang „Theorien und Praktiken professionellen Schreibens“. Auslandssemester haben sie schon nach Venedig, Malága oder an die Craig Newmark School of Journalism in New York geführt. Außerhalb der Uni hat sie für verschiedene Medienhäuser im In- und Ausland als freie Journalistin und Dozentin gearbeitet sowie deutschlandweit Workshops zu Mediennutzung und Demokratie an Schulen geleitet. Aktuell ist sie Programmvolontärin beim WDR in Köln.

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