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Abschlussarbeiten im Media Lab | 18.06.2025

Warm Intro oder Kaltstart? Netzwerke strategisch gestalten

Wie finden Start-ups ihre Kontakte und wie visualisiert man unsichtbare Strukturen? Und was können Gründer:innen in Deutschland vom Netzwerken im Silicon Valley lernen? Eine Annäherung mit der Akteurs-Map als Kompass.

Es war ein Gespräch mit einem amerikanischen Gründer auf einer Konferenz in San Francisco, das den Stein ins Rollen brachte: "Ohne Warm Intro kommst du hier nicht weit." Gemeint war: Ohne persönliche Empfehlung bleibt selbst die beste Idee oft unbeachtet. Die zentrale Frage für mich: Wie entstehen diese Kontakte eigentlich? Wer öffnet Türen? Und wie unterscheiden sich Netzwerkstrategien in Deutschland und dem Silicon Valley? Für meine Masterarbeit habe ich daraufhin zentrale Akteure in beiden Entrepreneurial Ecosystems interviewt.

Akteurs-Map: Netzwerke sichtbar machen

Ein zentraler Outcome meiner Recherchen ist die sogenannte Akteurs-Map. Sie kartiert, wer im Start-up-Umfeld eine Rolle spielt: Investor:innen, Unis, Labs, Medien, Communities, Acceleratoren, Events oder Plattformen. Ziel ist es, nicht nur direkte Kontakte, sondern ganze Beziehungsgefüge sichtbar zu machen.

Beim Kartieren für US-Startups fällt auf: Im Silicon Valley ist die Netzwerkstruktur extrem offen - Gespräche beim Kaffee, informelle Empfehlungen, LinkedIn-Nachrichten. In Deutschland sind Netzwerke oft stärker formalisiert. Viele Kontakte entstehen über Programme, Bewerbungsverfahren oder Events mit klaren Regeln. Diese Unterschiede wirken sich auf den Zugang zu Ressourcen aus. Die Akteurs-Map zeigt: In Kalifornien reichen oft Mut und Offenheit. In Deutschland braucht es Planung, Formate – und Geduld.

Bei einem Netzwerktreffen des Programms Existency machen die Teilnehmenden ein Gruppenfoto
Wie Netzwerken in Deutschland aussieht: Über Programme wie EXISTENCY versuchen Unis und Hochschulen ihre studentische Gründerszene zu vernetzen - hier FAU, TH Nürnberg und HS Ansbach.

Branchen ohne klassische Infrastruktur eines Tech-Ökosystems haben es dabei erstmal schwerer - dazu zählt auch die Medienbranche: Wer sind hier die Schlüsselakteur:innen? Redaktionen, Ausbildungsstätten, Programmdirektionen, Creator Labs, Journalistische Kollektive oder Investigativ-Netzwerke? Wer neue Formate entwickeln oder Impact-Journalismus skalieren will, sollte wissen, wo Zugangspunkte liegen – und wo Brücken fehlen. Die Akteurs-Map hilft, diese Landschaft systematisch zu erfassen. Sie wird so zum strategischen Instrument.Auch Mediengründer:innen können davon profitieren: Statt auf Zufall zu hoffen, kann gezielt genetzwerkt werden.

Strategisch Netzwerken: Drei Anwendungsszenarien

Die Arbeit mit der Akteurs-Map sollte dabei ganzheitlich gesehen werden - nicht nur als erster Aufschlag, um im Netzwerk-Kosmos anzukommen, sondern auch für alle weiteren Steps im Ökosystem:

  1. Selbstanalyse für Gründer:innen
    Wo bin ich schon gut vernetzt? Wo fehlt mir Zugang? Welche Rolle möchte ich im Ökosystem einnehmen?
  2. Regionale Ökosysteme aufbauen
    Welche Rollen fehlen in meiner Stadt, Branche oder Community? Wo gibt es Redundanzen oder Lücken? Wen kann ich vernetzen und Win-Win-Situationen entstehen lassen?
  3. Zielgerichtete Kommunikation planen
    Welche Formate, Plattformen oder Personen müsste ich gezielt ansprechen, um meine Wirkung zu vergrößern?

Die Akteurs-Map wird damit zum Beziehungskompass – besonders hilfreich in der oft fragmentierten Medienlandschaft.

Netzwerk-Typen: Offenheit vs. Hierarchie

Im Kulturvergleich USA-Deutschland wurde auch deutlich: Im Silicon Valley gilt „Sharing is caring“ als unausgesprochene Regel. Man teilt Ressourcen, Kontakte, Learnings. Warm Intros gibt es hier schnell und oft. Der Zugang zu Investor:innen, Developer:innen oder Partner:innen erfolgt niedrigschwellig.

Deutschland ist anders strukturiert: Netzwerke entstehen oft über Vertrauen, Reputation und formalisierte Verfahren. Das heißt nicht, dass sie schlechter funktionieren – aber sie folgen anderen Regeln. Gerade für Medien-Startups kann das bedeuten: Ohne passenden Referenzrahmen oder Empfehlung bleiben viele Chancen verschlossen.

Netzwerke als soziales Kapital

Was alle von mir befragten Gründer:innen gemeinsam hatten: Sie betrachten Netzwerke nicht als Selbstzweck, sondern als Ressource. Besonders wichtig sind dabei sogenannte „schwache Bindungen“ – also Kontakte außerhalb des engen, persönlichen Umfelds. Genau diese Kontakte führen oft zu neuen Ideen, Sichtbarkeit oder Zugängen. “Starke Bindungen” wie Co-Founder und Familie und Freund:innen wirken dagegen wie ein Anker und geben Halt und Stabilität im unsicheren Startup-Umfeld.

DIe Wortwolke zeigt die am häufigsten genannten Begriffe aus meinen qualitativen Interviews mit Gründer:innen von Start-ups und Akteur:innen des Ökosystems. Begriffe wie Netzwerk, Kontakt, LinkedIn, Startup und Beziehung tauchten am häufigsten auf, was auf ihre zentrale Bedeutung für die Erfahrungen der Teilnehmer hinweist.
DIe Wortwolke zeigt die am häufigsten genannten Begriffe aus meinen qualitativen Interviews mit Gründer:innen von Start-ups und Akteur:innen des Ökosystems. Begriffe wie Netzwerk, Kontakt, LinkedIn, Startup und Beziehung tauchten am häufigsten auf, was auf ihre zentrale Bedeutung für die Erfahrungen der Teilnehmer hinweist. (Visualisierung mit ATLAS.ti)

Für viele Interviewpartner:innen war es entscheidend, in kurzen Momenten Vertrauen aufzubauen – etwa bei Events, auf LinkedIn oder durch Co-Founder-Programme. Wer hier strategisch handelt, sich als Teil des Netzwerks begreift und langfristig investiert, gewinnt über Zeit an Reichweite und Ressourcen. Dabei ist immer zu beachten, dass ein Netzwerk keine Einbahnstraße ist, sondern auf Geben und Nehmen basiert. Lieber einmal mehr einen Vertrauensvorschuss geben, sollte hier die Devise sein.

Fazit: Netzwerken ist für jeden machbar

Netzwerke entstehen nicht einfach – sie werden aktiv gestaltet. Die Akteurs-Map hilft dabei, das Unsichtbare sichtbar zu machen. Sie zeigt Lücken, Potenziale, Zugangshindernisse. Und sie erinnert daran, dass gute Ideen allein nicht reichen. Sichtbarkeit, Vertrauen und Timing entscheiden oft darüber, ob aus Konzepten Wirklichkeit wird.

Für die Medienbranche heißt das: Wer erfolgreich sein will, sollte nicht nur Geschichten erzählen können – sondern auch wissen, wem er oder sie sie erzählt. Und wie man in diese Gespräche überhaupt hineinkommt.

Anna hat nun das Förderprogramm für Abschlussarbeiten durchlaufen. Du hast auch ein spannendes Thema? Melde dich bei uns!

Ein Artikel von

Anna Kilgenstein

Anna Kilgenstein hat Interkulturelles Management und Digital Marketing an der Hochschule Ansbach studiert. In ihrer Masterarbeit untersuchte sie, wie Start-up-Gründer:innen Netzwerke aufbauen und nutzen. Besonders interessiert sie, wie sich kulturelle Unterschiede auf den Zugang zu Ressourcen auswirken. Wenn sie nicht gerade wissenschaftlich denkt, arbeitet sie als Flugbegleiterin, gründet ein Startup für digitale Audio-Guides, praktiziert Yoga, hilft im familieneigenen Hofgut und macht ihren PhD.

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