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Abschlussarbeiten im Media Lab | 10.11.2025

Können wir uns KI mit KI beibringen?

Wer in Zukunft souverän mit KI arbeiten will, muss heute verstehen, wann Maschinen helfen und wann Menschen unverzichtbar bleiben. Darauf aufbauend zeigt ein KI-Chatbot, wie wir selbstorganisiertes Lernen neu denken können. Und an welche Grenzen wir dabei stoßen.

Inhaltsverzeichnis

  1. KI-Kompetenz als Schlüsselqualifikation
  2. KI selbstorganisiert Erlernen
    1. Ein Chatbot als Lernbegleiter
    2. Die Vergleichsstudie: Was funktioniert besser?
    3. Die Grenzen der Technologie
  3. Was bedeutet das für Medienhäuser?

KI-Kompetenz als Schlüsselqualifikation

Die Zahlen sprechen für sich. Menschen, die KI einsetzen, erledigen durchschnittlich 12,2 Prozent mehr Aufgaben, sind dabei 25,1 Prozent schneller und erzielen um 40 Prozent bessere Ergebnisse als diejenigen ohne KI-Unterstützung. Das zeigt ein Feldexperiment der Harvard Business School aus dem Jahr 2023. Trotzdem planen mehr als die Hälfte der deutschen Unternehmen weder jetzt noch in absehbarer Zukunft den Einsatz von ChatGPT und vergleichbaren Systemen.

Das Problem liegt nicht nur in der Wirtschaft. Auch im Bildungssystem tut sich Deutschland schwer mit dem Thema. In einer Befragung der Vodafone Stiftung geben 76 Prozent der befragten 14- bis 20-Jährigen an, dass der Einsatz von KI an ihrer Schule entweder gar kein Thema sei oder es keine einheitliche Regelung dazu gebe. Wer KI-Kompetenz erwerben will, muss sich also häufig selbst darum kümmern. Und genau hier setzt die Frage an: Wie lässt sich dieses Wissen effektiv und motivierend vermitteln?

KI selbstorganisiert Erlernen

Eine etablierte Methode für selbstorganisiertes Lernen ist lernOS, eine Plattform, die verschiedene Leitfäden zu unterschiedlichen Themen anbietet, darunter auch zu KI-Grundlagen. Das System setzt dabei auf enge Gruppenarbeit. Teilnehmende bereiten sich eigenständig durch das Lesen von Theoriekapiteln vor und treffen sich anschließend regelmäßig, um das Gelernte gemeinsam zu diskutieren und anzuwenden. Der Ansatz ist fundiert und wird von vielen Nutzer:innen gelobt, besonders wegen des wertvollen Austauschs unterschiedlicher Perspektiven.

Doch der Ansatz hat auch seine Herausforderungen. Eine passende Lerngruppe und gemeinsame Termine zu finden sowie der sonstige organisatorische Aufwand können zur Hürde werden. Außerdem hängt die Qualität der Lernerfahrung stark von der Gruppendynamik ab.

Ein Chatbot als Lernbegleiter

An dieser Stelle kommt der Prototyp SensAI ins Spiel, ein KI-gestützter Lern-Chatbot, entwickelt mit Microsoft Copilot Studio. Er behält die Stärken des selbstorganisierten Lernens – Struktur und Eigenverantwortung – und soll gleichzeitig dessen Schwächen ausgleichen, indem er die organisatorisch aufwendige Gruppenarbeit durch eine personalisierte, jederzeit verfügbare Lernerfahrung ersetzt.

Der Bot führt Nutzer:innen in einem interaktiven Dialog durch zwei Module, KI-Grundlagen und Prompting, die sich an der Bloom'schen Taxonomie orientieren. Dieses didaktische Modell strukturiert Lernziele in sechs aufeinander aufbauende Stufen und reicht von einfachem Erinnern über Verstehen und Anwenden bis hin zu Analysieren, Bewerten und Erschaffen. Für jede Stufe gibt es kurze Theorieinputs, praktische Aufgaben und unmittelbares Feedback darauf.

Das Besondere daran ist, dass SensAI nicht nur als Wissensvermittler agiert, sondern als Lernpartner mit Persönlichkeit. Er tritt als weiser, humorvoller Sensei auf, der seine Schülerinnen und Schüler in einem Dojo-Setting unterrichtet. Durch spielerische Elemente, intelligentes Feedback und die Möglichkeit, jederzeit Fragen zu stellen, entsteht eine motivierende Lernatmosphäre. Dabei passt sich der Bot individuell an. Je nach Leistung werden Aufgaben erleichtert oder erschwert, zusätzliche Hilfestellungen gegeben oder weggelassen.

Der Screenshot vom Dialog mit SensAi zeigt eine Lerneinheit zum Prompten
Dialog mit SensAI in MS Teams (Screenshot: Jonathan Simon)

Die Vergleichsstudie: Was funktioniert besser?

Um herauszufinden, ob ein KI-Chatbot selbstorganisiertes Lernen tatsächlich effizienter gestalten kann, habe ich eine Vergleichsstudie mit zehn Teilnehmenden durchgeführt. Sie lernten beide Methoden kennen und bewerteten sie anhand von Testaufgaben, Fragebögen und einer abschließenden Diskussionsrunde.

SensAI überzeugte besonders bei Motivation, Interaktivität und Zeiteffizienz. Die Teilnehmenden schätzten die flexible, ortsunabhängige Nutzung, das sofortige Feedback und die spielerische Gestaltung. Ein weiterer Vorteil zeigte sich in der wertfreien Lernatmosphäre, in der niemand befürchten musste, für seine Fragen verurteilt zu werden.

LernOS hingegen punktete vor allem bei der sozialen Komponente. Der Austausch verschiedener Perspektiven in der Gruppe wurde als bereichernd empfunden und förderte tiefere Reflexion, besonders bei ethischen und gesellschaftlichen Fragen rund um generative KI.

Besonders interessant war dabei folgende Beobachtung: Die anfängliche Annahme, dass SensAI vor allem am fehlenden menschlichen Kontakt scheitern würde, bestätigte sich nicht. Vielmehr wurde die positive, unterstützende Kommunikationsatmosphäre des Chatbots von vielen geschätzt. Das eigentliche Problem lag in der mangelnden Diversität der Perspektiven. Während eine Gruppe bei lernOS unterschiedliche Blickwinkel einbringt, bleibt der Dialog mit SensAI einseitiger.

Die Grenzen der Technologie

So vielversprechend die Ergebnisse auch sind, die Studie offenbarte auch klare Grenzen. Microsoft Copilot Studio zeigte stellenweise Bugs sowie fehlende Features. Einige Teilnehmer:innen kritisierten zudem, dass das KI-Feedback nicht immer verlässlich war. Manchmal wurden Verbesserungen vorgeschlagen, obwohl die Aufgabe korrekt gelöst war und teilweise neigte die KI zur Halluzination, also zu falschen oder erfundenen Aussagen, was bei einem Lernsystem besonders problematisch ist.

Für einen breiteren Einsatz im Bildungsbereich wären daher stabilere Systeme, klarere Qualitätsstandards und vor allem transparente Datenschutzrichtlinien notwendig.

Was bedeutet das für Medienhäuser?

Die Erkenntnisse aus dem Bildungsbereich sind auch für die Medienlandschaft relevant, wo KI-Kompetenz zunehmend an Bedeutung gewinnt. Deepfakes, KI-generierte Inhalte und deren Kennzeichnung sind längst keine Randthemen mehr. Medienschaffende müssen in der Lage sein, KI-Inhalte zu erkennen, zu bewerten und verantwortungsvoll damit umzugehen. Gleichzeitig stehen Medienhäuser vor der Herausforderung, ihre Mitarbeitenden fit für die Arbeit mit KI zu machen und das möglichst effizient. Ein KI-gestützter Lernbot wie SensAI könnte hier niedrigschwellig Grundkompetenzen vermitteln, ohne dass aufwendige Schulungen organisiert werden müssen. Gerade in Teams mit unterschiedlichen Wissensständen kann ein solches System individuell angepasstes Lernen ermöglichen.

Aber eines bleibt klar: KI kann Wissen vermitteln, Feedback geben und motivieren. Tiefere Reflexion, kritisches Hinterfragen und der Austausch unterschiedlicher Perspektiven bleiben jedoch dem menschlichen Dialog vorbehalten. Selbstorganisiertes Lernen muss sich nicht zwischen Leitfaden und Dialog entscheiden, sondern kann von beidem profitieren. Wer morgen souverän lernen und lehren will, muss heute wissen, wann er auf Maschinen vertraut und wann er auf Menschen hört.

Jonathan hat nun das Förderprogramm für Abschlussarbeiten durchlaufen. Du hast auch ein spannendes Thema? Melde dich bei uns!

Artikel written by

Jonathan Simon

Jonathan hat Multimedia und Kommunikation an der Hochschule Ansbach studiert und sich in seiner Bachelorarbeit gefragt, ob Künstliche Intelligenz auch als Lernpartner oder sogar als Lehrkraft eingesetzt werden kann. Aus dieser Fragestellung entwickelte er mit Microsoft Copilot Studio einen interaktiven KI-Chatbot, der selbstorganisiertes Lernen neu denkt. Aktuell studiert er im Master an der Hochschule Ansbach und arbeitet parallel als Werkstudent bei DATEV im Bereich Chatbot-Entwicklung und E-Learning. Dabei verbindet er technisches Verständnis mit einem Gespür für didaktische Gestaltung und innovative Lernkonzepte.

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