Abschlussarbeiten im Media Lab | 01.10.2025
Klima für die Gen Z: Wege, um Desinteressierte zu erreichen

Der Klimawandel ist eines der wichtigsten Themen unserer Zeit. Junge Menschen fühlen sich von den Themen aber eher ausgeschlossen oder sind genervt. Wie kann ein journalistisches Social-Media-Format trotz dieser Grundstimmung Interesse wecken? Schonmal vorweg: Wir müssen junge Menschen in ihrem Alltag abholen, ihren Humor treffen und ihre Sprache sprechen.
Warum junge Leute beim Klima abschalten
Begriffe wie Klimakrise, Nachhaltigkeit, Ökosystem oder CO2-Fußabdruck begleiten die 16 bis 24- Jährigen, die ich für meine Bachelorarbeit interviewt habe, schon ihr ganzes Leben. Die Fridays for Future Proteste sind in der Gen Z entsprungen. Doch nicht alle aus der Generation haben sich mitreißen lassen.
Einige haben nach der Schule, der Ausbildung oder einem stressigen Job keine Lust, sich auch noch mit globalen Krisen auseinanderzusetzen, die sie nicht direkt zu betreffen scheinen. Social Media ist für sie ein Ort der Entspannung, ein Ort zum Abschalten. Der klare Fokus liegt dann auf der Unterhaltung.
Doch die meisten Klimaformate können damit nicht dienen: Sie sind super informativ und setzen ein gewisses Vorwissen voraus, mit dem nicht jede:r dienen kann. Sie kommunizieren mit einem erhobenen Finger, wodurch sich die Befragten bevormundet fühlen. Begriffe wie Klimakrise oder Nachhaltigkeit sind für diese Zielgruppe regelrechte Provokationen. Auch Formate, die sich bemühen, lockerer zu wirken, visuell ansprechend zu sein oder möglichst einfach zu erklären, wirken zu moralisch, sind oft zu weit weg von der Lebensrealität der Zielgruppe.
Das Ergebnis: Junge Menschen, die dringend von der Klimakommunikation erreicht werden müssten, um den Ernst der Lage für sie zu begreifen, um ins Handeln zu kommen, fühlen sich nicht angesprochen – und schalten ab.
Zwischen Unterhaltung und Relevanz
Aber was wünschen sich junge Menschen, wenn sie ein Format selbst mitgestalten dürfen? In meinen Interviews haben sie klare Vorstellungen formuliert:
- Alltagsnähe: „Ich fand es gut, dass es was war, was im Alltag eigentlich jedem irgendwie entgegen stößt. Und das hat mich halt angesprochen.“ Alle Befragten zeigten ganz klar, dass Videos, die sie in ihrem Alltag abholen, besser ankommen und auch, dass der Content, den sie schauen, klar ihre eigene Lebensrealität betrifft.
- Einfache Sprache: „Einfach für Dumme. Dass ich das auch verstehe, [als Person, die] gar keine Ahnung von irgendwas hat.“ Meine Befragten haben immer wieder betont, dass sie lieber Creator:innen anschauen, die so sprechen, wie sie selbst.
- Authentizität: „Man hat einfach das Gefühl gehabt, man schaut jemandem, einem Bekannten zu.“ Auch das scheint allen sehr wichtig zu sein. Wenn sie jemanden sympathisch finden, nehmen sie viel einfacher und lieber neuen Input von der Person an.
- Kurze Videos: „Also, wenn es für Social Media passen müsste, dann wäre es glaube ich etwas Schnelleres, weil einfach die Aufmerksamkeit von den meisten nicht mehr so lang ist und die dann da keinen Bock mehr drauf haben." Content muss die Aufmerksamkeitsökonomie der Gen Z reflektieren.
Es geht also nicht darum, weniger Wissen zu vermitteln, sondern darum, es in eine Sprache und Form zu bringen, die zu den Lebensrealitäten passt. Eine Art und Weise, die die jungen Menschen in ihrer Lebensrealität abholt und ihnen die globalen Zusammenhänge einfach einordnet und erklärt.
Mein Praxisprojekt: „Wir checken das“
Mit diesen Erkenntnissen habe ich ein eigenes Format entwickelt: „Wir checken das“. Die Idee: Kleine Alltagsfragen ernst nehmen, in lockerer Sprache beantworten und so ganz nebenbei zeigen, dass vieles mit Klima und Politik zusammenhängt.
Ein Beispiel: In einem Video geht es um die Frage: „Warum ist mein Kaffee so teuer?“ Los geht das Video mit dem morgendlichen Kaffee, den der Journalist im Video sich auf dem Weg zur Arbeit holt. Er wundert sich, warum der Kaffee teurer geworden ist. Der Journalist beginnt zu recherchieren (transparent dargestellt mit Quellen) und findet (quasi zusammen mit den Zuschauenden) heraus, dass es an den Ernteausfällen in den Anbauregionen liegt, die wiederum mit dem Klimawandel zusammenhängen.
Das Feedback der Jugendlichen ist eindeutig: Dieses Video kommt an, weil es direkt aus dem Alltag gegriffen ist. Der Journalist wirkt sympathisch, der Ton ist locker. Das Video startet nicht mit komplexen Begriffen oder Vorwissen. Es erklärt (fast) ohne Fachbegriffe in einfacher Sprache, ohne dass es sich wie ein „Lehrvideo“ anfühlt.
Ein anderes Video, in dem ich den Begriff „Kohlenstoffsenke“ erklärt habe, kam dagegen nicht so gut an. Zu abstrakt, zu wenig Bezug zum Alltag. „Da bleibt bei mir nichts hängen“, sagt ein Befragter.
Was wir daraus lernen können: Fachbegriffe allein funktionieren bei meiner Zielgruppe nicht, nur wenn man sie mit echten Situationen verknüpft und einordnet. Klimakommunikation funktioniert für meine Zielgruppe nicht über große, allumfassende Recherchen, Panik oder Appelle. Sie funktioniert, wenn sie sich anfühlt wie ein Gespräch unter Freund:innen: ehrlich, alltagsnah, ohne Fachbegriffe und ohne erhobenen Zeigefinger.
Was Redaktionen daraus lernen können
Für die Medienbranche lässt sich daraus eine klare Botschaft ableiten: Didaktische Reduktion und Alltagsbezug sind eine Voraussetzung, um auch desinteressierte, junge Zielgruppen erreichen zu können.
Das bedeutet:
- Nicht mit dem Thema starten, sondern mit der Lebensrealität. Erst wenn die Relevanz klar wird, sind Jugendliche (und junge Erwachsene) bereit zuzuhören.
- Komplexe Begriffe sparsam nutzen. Wenn sie vorkommen, müssen sie sofort erklärt werden.
- Recherche transparent machen. Redaktionen müssen transparent machen, woher und wie sie an ihre Informationen kommen, denn das schafft Vertrauen.
- Unterhaltung ernst nehmen. Lockerer Ton, Humor und Authentizität schaffen Vertrauen und öffnen die Tür für Inhalte, die sonst niemand hören will.
Es geht also darum, Klimajournalismus anders zu erzählen. So, dass er auch für Menschen zugänglich wird, die bislang keinen Zugang dazu hatten.
Ein Blick in die Zukunft der Klimakommunikation
Stell dir vor, Klimajournalismus für junge Desinteressierte würde bald so aussehen:
Kurze, visuell ansprechende Clips auf TikTok und Instagram, die an echten Fragen aus dem Alltag ansetzen. Journalistinnen:innen, die wie Freund:innen wirken, die transparent recherchieren und zeigen, wie sie zu ihren Antworten kommen. Formate, die keine Angst machen, sondern kleine Aha-Momente auslösen und vielleicht zum selbst weiter recherchieren anregen.
Im Interview: Und hat das Video jetzt Fragen für dich offen gelassen?
Antwort: Nee, tatsächlich nicht. Eher so die Neugierde, einfach da nochmal weiter reinzuschauen.
So könnte Klimaberichterstattung es schaffen, nicht nur die ohnehin Interessierten zu erreichen, sondern auch jene, die heute noch genervt wegscrollen.
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