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Abschlussarbeiten im Media Lab | 20.05.2025

Frauenfeindlichkeit im Netz

Misogyne Hassrede in sozialen Medien betrifft viele Frauen, doch es fehlt an angemessenen Reaktionen. Die mangelnde Abschreckung fördert die Verstärkung und Akzeptanz von misogynem Verhalten sogar noch. Gesetzliche Reformen, stärkere Plattformregulierungen und mehr gesellschaftliches Engagement sind dringend nötig.

Offline und Online: Depp und Heard vor Gericht

Es ist ein Paradebeispiel: Nachdem sich Amber Heard 2018 öffentlich als Opfer häuslicher Gewalt bezeichnete, musste sie sich nicht nur vor Gericht wegen Verleumdung von Johnny Depp verantworten, sondern wurde in den sozialen Medien auch Opfer einer misogynen Hass- und Desinformationskampagne von besonderem Ausmaß. Der Gerichtsprozess 2022 beherrschte wochenlang die Schlagzeilen. Memes, Videos und Beiträgen dazu fluteten Plattformen wie TikTok, YouTube und Twitter, sie hatten vor allem eins gemeinsam: frauenfeindliche Inhalte und die Darstellung von Amber Heard als hysterische Lügnerin und Täterin. Betroffen von den systematischen Anfeindungen waren auch Heards Unterstützer*innen, darunter ihre Anwältin, Zeug*innen sowie User*innen, die Johnny Depp kritisierten.

Meine Untersuchung von Kommentaren unter YouTube-Videos zu den Verhandlungstagen ergab, dass 75 Prozent der analysierten Kommentare und Antworten misogyn waren. Besonders erschreckend dabei ist, dass die Angriffe, anders als bei ähnlichen Shitstorms, diesmal nicht hauptsächlich von Männern, sondern überwiegend von Frauen ausgingen. Amber Heard und ihre Unterstützer*innen erhielten eine Vielzahl an beleidigenden und abwertenden Kommentaren sowie geschlechtsbezogene Feindseligkeiten, die ihr Aussehen herabwürdigten und eine Vielzahl von stereotypischen Rollenbildern und Charaktereigenschaften verbreiteten. Durch ihre Unangepasstheit an patriarchale Normen wurden sie zur Zielscheibe.

Warum die Auswirkungen von digitalem Hass so weitreichend sind

Die Misogynie in diesem Fall trifft aber nicht nur Amber Heard und ihre Unterstützer*innen. Ihre negative und abwertende Darstellung untergräbt auch die Glaubwürdigkeit und das öffentliche Ansehen anderer Frauen, die auf missbräuchliches Verhalten aufmerksam machen. Mit weitreichenden Folgen: Viele Betroffene könnten künftig zögern, über ihre Erfahrungen zu sprechen, wenn sie Angst haben müssen, öffentlich diffamiert, diskreditiert oder nicht ernst genommen zu werden. Dadurch werden gesellschaftliche Stereotype, Vorurteile und die strukturelle Ungleichheit der Geschlechter weiter gefestigt.

Der Fall beeinflusst nachhaltig, wie häusliche Gewalt öffentlich wahrgenommen wird und welche sozialen sowie rechtlichen Konsequenzen für misogynes Verhalten als angemessen gelten. Der Gerichtsprozess von Amber Heard und Johnny Depp steht symbolisch für einen erheblichen Rückschlag feministischer Erfolge und trägt zur weltweiten Normalisierung von Gewalt gegen Frauen bei – sowohl online als auch offline. Fehlende Reaktionen und mangelnde Abschreckung verstärken diesen Trend und machen misogynes Verhalten in den sozialen Medien immer akzeptabler.

Misogyne Hassrede: Was sich in Zukunft ändern muss

Dabei könnte die große öffentliche Aufmerksamkeit, die der prominente Gerichtsprozess hatte, auch dafür genutzt werden, die Muster der Misogynie zu identifizieren und zu benennen. Frauen, die ähnliche Erfahrungen mit misogyner Hassrede gemacht haben, könnten ermutigt werden, ihre Erlebnisse zu teilen. Das Bewusstsein, dass viele Frauen betroffen sind, könnte dazu beitragen, diese Erfahrungen zu entstigmatisieren und zu depersonalisieren. Hier könnte durch mediale und öffentliche Aufmerksamkeit eine Bewegung entstehen, die ein kollektives Umdenken bewirkt und misogyne Hassrede als ernsthaftes gesellschaftliches Problem anerkennt.

Dafür müsste aber nicht nur die Öffentlichkeit Verantwortung übernehmen, sondern auch Plattformen, Politik und Gesetzgebung.

  1. Misogyne Hassrede als strafbare Handlung ansehen
    Bisher wird misogyne Hassrede nicht ausreichend strafrechtlich verfolgt. Rechtliche Schritte sind für Betroffene oft kostenintensiv und aufwändig, während die, die die Hassrede auf den Plattformen platzieren, weitgehend vor Konsequenzen geschützt bleiben. Der Fall von Amber Heard verdeutlicht, dass gesetzliche Reformen zur Kontrolle und Regulierung sozialer Medien notwendig sind, um misogyne Hassrede zu bekämpfen und Opfern besser zu helfen.
  2. Plattformen in die Pflicht nehmen
    Soziale Medien spielen eine aktive Rolle bei der Verbreitung von misogyner Hassrede und müssen dementsprechend auch stärker in die Verantwortung genommen werden. Hier braucht es bessere Nutzungsbedingungen sowie effiziente Prüf- und Meldesysteme, um frauenfeindliche Inhalte frühzeitig zu erkennen und zu entfernen.
  3. Internationale Zusammenarbeit stärken
    Misogyne Hassrede hält keine nationalen Grenzen ein, sondern findet weltweit über die sozialen Medien statt. Dementsprechend müssen auch auf internationaler Ebene Maßnahmen zur Bekämpfung von misogyner Hassrede im Internet ergriffen werden.
  4. Bildung und Aufklärung
    Ein zentraler Ansatzpunkt ist auch die Bildung: Bereits in Schulen sollte über Geschlechtergerechtigkeit und die Auswirkungen von Hass in den sozialen Medien gesprochen werden. Medienkompetenz muss ein fester Bestandteil der Lehrpläne werden.
  5. Mehr Forschung und Wissenschaft
    Bisher bekommt Forschung zu misogyner Hassrede kaum Aufmerksamkeit. Es mangelt an einheitlichen Begrifflichkeiten und es bestehen noch diverse Forschungslücken, zum Beispiel im Hinblick auf die verschiedenen Formen und Intensitäten von Hassrede. Künftige Studien sollten insbesondere die Rolle von Plattform-Algorithmen, die Bildung von Echokammern und die Folgen von misogyner Hassrede untersuchen.

Die Gesellschaft ist gefragt

Die Aktivitäten in den sozialen Medien sind eine direkte Manifestation der kulturellen Werte und Überzeugungen, die Menschen auch im echten Leben vertreten. Es gibt keine klare Trennung der Online- und Offline-Welt und die Folgen von misogyner Hassrede in den sozialen Medien sind alles andere als harmlos: Neben emotionalen, sozialen, physischen, finanziellen und beruflichen Schäden wird das Internet durch mehr Misogynie auch weniger gleichberechtigt, sicher und inklusiv für Frauen. Es braucht also aktives Engagement - und zwar nicht nur von Frauen, sondern von der gesamten Gesellschaft!

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Ein Artikel von

Wiebke Rummel

Wiebke lebt für Reisen und Sport – klischeehaft, aber genau das, was sie ausmacht. Aus Wien heraus erkundet sie die Welt, sei es mit dem Rennrad oder Flugzeug. Besonders berührt haben sie verschiedene Einzelschicksale in anderen Ländern, was ihr Interesse an Themen wie Feminismus und Gleichberechtigung geweckt hat.

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