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22. Dezember 2020
Lab News

3 Fragen zum Thema Synthetic Media an: Spencer Marsden

3 Fragen zum Thema "Synthetic Media" an: Spencer Marsden

Spencer Marsden ist Research and Development Engineer bei der BBC. Er beschäftigt sich damit, wie der Broadcaster Synthetic Media, also automatisch generierte Inhalte und Formate, einsetzen kann. Darüber sprach er auch im Media Lab Think Tank - und jetzt hier im Blog.

Für die Mitglieder*innen unseres Membership-Programms organisiert das Media Lab in regelmäßigen Abständen Think Tanks - kleine Veranstaltungen, bei denen die Mitglieder*innen mit Expert*innen über Innovationsthemen diskutieren können. Um einen offenen Austausch zu ermöglichen und keine Konkurrenz zwischen den Mitgliedern aufkommen zu lassen, finden die Thinktanks in kleinem Rahmen unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. 2020 wurde schon über die Verschränkung von Content & Commerce, Tech-Regulierung und Podcasts diskutiert.

Aus den genannten Gründen sollen die genauen Inhalte auch weiterhin den Membern vorbehalten sein. Gleichzeitig fänden wir es schade, den Rest der Media Lab Community überhaupt nicht an den Erfahrungen unserer Expert*innen teilhaben zu lassen. In dieser Reihe befragen wir unsere Vortragenden deshalb in kurzen Interviews zu ihrem Spezialgebiet. Nach Christian Alt und Mirijam Trunk ist heute Spencer Marsden an der Reihe, Research & Development Engineer bei der BBC. Im Thinktank sprach er vorwiegend über die Experimente, die die BBC im Bereich Synthetic Media unternimmt.

Media Lab: "Synthetic Media" ist ja ein etwas unscharfer Begriff. Viele verschiedene Dinge fallen darunter, von Videospielen in Virtual Reality bis zu automatisierter Texterstellung oder künstlichen Nachrichtensprecher:innen. Mit welcher Definition von "Synthetic Media" arbeitet die BBC?

Spencer: Es stimmt natürlich, dass das ein sehr weiter Begriff ist. Im BBC Blue Room, über den ich auch im Think Tank gesprochen habe, benutzen wir "Synthetic Media", um künstlichen, maschinengenerierten Content zu beschreiben, der trotzdem das Ziel hat, dem Publikum in Form einer Mensch-zu-Mensch-Kommunikation zu begegnen. Beispiele dafür wären zum Beispiel ein Magazinartikel, der komplett vom Textgenerierungsystem GPT-3 geschrieben wurde, oder ein "Gespräch" mit einem Twitter-Bot.

Ein Thema, über das du im Think Tank ebenfalls gesprochen hast, ist die Frage nach dem Vertrauen. Welche Probleme siehst du da im Bereich "künstlicher Medien"? Habt ihr schon Lösungsansätze?

Vertrauen ist natürlich der Grundstein der BBC, weil wir unserem Publikum mit Unabhängigkeit, Überparteilichkeit und Ehrlichkeit am besten dienen können. Wenn digital generierte Medien benutzt werden, Menschen zu manipulieren oder den einen Informationskontext zu verzerren, fehlen den Zuschauer:innen die wahren Fakten. Die Geschwindigkeit, Qualität und Verfügbarkeit von solchen Methoden durch neue Technologien zwingen Broadcaster dazu, sicher dieser Technologien bewusst zu sein und Gegenmaßnahmen zu entwickeln. Unsere Experimente im Blue Room dienen genau auch dazu, im Haus Aufmerksamkeit für dieses Thema zu generieren. Zusätzlich arbeiten wir im Project Origin zusammen mit Microsoft, CBC, Radio Canada und dem Telegraph daran, einen Prozess zu entwickeln, mit dem die technische Integrität von Inhalten gesichert werden kann.

Ich denke außerdem, dass gerade Nachrichten immer aus einer menschlichen Perspektive vermittelt werden sollten. Wir machen zwar auch Experimente mit synthetischen Nachrichtensprechern. Aber eine Nachrichtensendung, die darauf zurückgreifen würde, würde ein Element der Falschheit genau am Punkt der Informationsaufnahme durch die Zuschauer:innen einführen. Das bricht meiner Meinung nach den impliziten Vertrag mit diesen Zuschauer:innen, in dem wir als Journalist:innen ja quasi sagen: "Alles was du ab jetzt siehst ist wahr und verifiziert und vertrauenswürdig.

Mal dich als Experten gefragt: Wie sehen die nächsten fünf Jahre im Bereich "Synthetic Media" aus?

Ich glaube für diesen Zeitraum an einen Anstieg synthetischer Avatare in der Kunst, der Wirtschaft und in den sozialen Medien, die diese Bereiche verbinden. In der Kunst wird es ein neues Spielfeld sein für alle Künstler:innen, die sich mit Themen wie Authentizität, menschlicher Handlungsmacht und Kreativität beschäftigen. In der Wirtschaft wird es Produkte (zum Beispiel in Form von Videospielcharakteren), Markenbotschafter und Nutzerinterfaces beeinflussen. Ein Beispiel: Ich kann mir gut vorstellen, dass K/DA, die virtuelle Band aus League Of Legends-Charakteren, mehr AI in ihrem Social-Media-Auftritt und ihrem musikalischen Schaffen benutzen werden. Oder das synthetische Schauspieler im Theater jeden Abend andere Improvisationen zeigen können.

Gleichzeitig findet jetzt schon eine Normalisierung von digital ergänzten Verhaltensweisen statt, zum Beispiel in Form von Videoanrufen, VR-Brillen oder lokalisiertem AR-Content. Diese Entwicklung wird die Akzeptanz anderer, synthetischer Medien ebenfalls steigern. Ich bin gespannt, wie sich die Beziehung zwischen einem Publikum, das immer mehr menschliche Eigenschaften auf virtuelle Avatare projiziert, und den entsprechenden Technologien entwickelt.

Text: Christian Simon
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